Sechs Tage in der Brenta - Teil 4/4: Sentiero Bocchette Brentari und dell'Ideale

Los gings am 17.09. zum krönenden Abschluss der Brentatour. Aufgrund der Beschreibungen hatte ich hohe Erwartungen an die letzte Etappe des Bocchette-Wegs - und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht! Insgesamt präsentiert sich der Steig ausgesprochen hochalpin, einsam und trotz des Nebels landschaftlich einzigartig imposant.


Start war um kurz vor halb acht bei Nebel und blauem Himmel. Der Wetterbericht war recht uneindeutig, daher entschieden wir uns dafür, zunächst den Sentiero Brentari zu begehen und am Ambiezgletscher über den Weiterweg zu entscheiden. Bei akuter Wetterverschlechterung würden wir zur Agostinihütte absteigen; eigentliches Ziel war allerdings die Zwölf-Apostel-Hütte (Rifugio Dodici Apostoli) über den Sentiero dell'Ideale.


Im Gegensatz zu den Vortagen starteten wir schon an der Hütte als einzige in Richtung Klettersteig. Bevor es allerdings ans Eisen geht, steht ein etwa anderthalbstündiger "Zustieg" an. Die eher geheimnisvolle und düstere Umgebung wurde dabei immer wieder durch faszinierende Wolkenspiele aufgelockert.



Am schönsten allerdings war die Begegnung mit einigen Schneehühnern, die man von ihren Lauten her fast für Frösche halten kann.


Die Cima Tosa, den mit 3173m höchsten Berg der Brentadolomiten, hätten wir gerne noch bestiegen, doch war uns dafür das Wetter zu unsicher. Der Abzweig jedenfalls liegt auf dem Weg und ist mit der Aufschrift "Cima Tosa" auf einem Fels markiert. Bevor es gegen 9 Uhr an die ersten Versicherungen ging, bescherte uns der Wettergott noch einmal schönsten Sonnenschein für eine aussichtsreiche Pause.


Dann jedoch stiegen wir hinunter in den Nebel.


Während man sich durch das karge Gelände zuvor mühsam viele Höhenmeter erarbeitet hat, bewegt man sich auf dem Klettersteig fast ausschließlich bergab. Dass man dabei auf dem ältesten Abschnitt des Bocchette-Wegs (Einweihung im Jahr 1932) unterwegs ist, wird einem mehrfach bewusst.


Außerdem trifft hier noch viel mehr als auf den übrigen Etappen zu: Bergerfahrung unerlässlich!




Um kurz vor zehn erreichten wir den Ambiezgletscher und waren uns gleich einig, dass wir den Weg zur ursprünglich geplanten Hütte fortsetzen würden. Selbst bis dorthin sollte es laut Schild nur noch eine Stunde und vierzig Minuten dauern. Da uns der mit kleinen Fähnchen markierte Weg (im Bild unten der obere) in etwas steileres Gelände führen würde, legten wir noch einmal die Steigeisen an.


Die Randkluft war hier noch etwas ausgeprägter, ließ sich jedoch auch gut überwinden.


Weiter ging es nun, zu Beginn nur mit Textilseilen gesichert...


... durch teils ausgesetztes...


... teils einfach nur schönes Klettergelände mit wunderbaren Tiefblicken...


... in einer knappen halben Stunde zur Ambiezscharte (2870m), wo wir uns noch einmal von der Sonne verwöhnen ließen.



Danach ging es hinab in den Kessel des Camoscigletschers - wieder durch zwar versichertes, aber dennoch wildes Gelände.


Da es noch nicht einmal Mittag war und der Rückweg zum Auto am nächsten Tag vom Rifugio Dodici Apostoli sehr weit gewesen wäre, entschieden wir spontan, stattdessen das Rifugio Brentei anzusteuern. So folgten wir auf dem Gletscher nicht den Spuren, sondern bogen nach rechts ab Richtung Sentiero Martinazzi.


Dieser führt zu Anfang ebenfalls durch alpines Gelände mit versicherten Stellen und viel Schneekontakt.


Zum Ende hin wird die Umgebung jedoch grüner, wobei wir davon nicht mehr viel mitbekamen, da der Nebel immer dichter wurde. Die Gegensteigung kurz vor dem Ziel zog noch einmal an unseren Nerven, doch dann tauchte urplötzlich die Brentei-Hütte (2182m) vor uns auf.


Der Nebel verzog sich an diesem Abend nicht mehr, doch die Hütte war gemütlich und da nichts los war, konnten wir uns zu zweit in einem kleinen Zimmer ausbreiten.

Der Abstieg am nächsten Tag war nur mehr noch Formsache, wobei wir noch ein, zwei schöne Blicke in das Herz des Brentagebirges erhaschen konnten.


  • Zeitbedarf: Rifugio Pedrotti/Tosa - Einstieg 1,5 Stunden, Sent. Brentari 1 Stunde, Ambiezgletscher - Ambiezscharte 30 Minuten, Ambiezscharte - Rifugio Brentei 3 Stunden, insgesamt also 7 Stunden (Rif. Brentei - Rif. Vallesinella gut 1,5 Stunden)
  • Höhenmeter: Etwa 660 im Auf- und 970 im Abstieg (Rif. Brentei - Rif. Vallesinella 670hm Abstieg)
  • Schwierigkeit: Klettersteigtechnisch nicht besonders anspruchsvoll (maximal C an wenigen Stellen), aber sehr alpin und rau, teilweise quasi weglos. Bei harten Firn oder sogar Blankeis auf den Gletschern geht ohne Steigeisen und Pickel absolut nichts.

Fazit zur Brentatour: Sollte man gemacht haben! Und das würde ich nicht nur Klettersteigfans (zu denen ich mich nicht mal zählen würde), sondern ganz besonders auch "klassischen" Bergsteigern empfehlen. Denn natürlich gibt es viele Versicherungen, andererseits aber auch viele Möglichkeiten, der Tour noch ein wenig mehr bergsteigerische Würze zu geben, beispielsweise durch den ein oder anderen Gipfel. Außerdem präsentiert sich die Umgebung einfach so wunderbar hochalpin, dass man sich gar nicht wie auf einem Klettersteig fühlt.

Da es keine schwierigen sportklettersteigmäßigen Stellen gibt, würde ich beim nächsten Mal auch auf das Klettersteigset verzichten. Denn wer die nötige Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Bergerfahrung besitzt, um die Tour genießen zu können, wird meiner Meinung nach mit einer einfachen Bandschlinge zurecht kommen, um sich an besonders ausgesetzten Stellen schnell einmal einklinken zu können. Nicht zuletzt spart man sehr viel Zeit, wenn man weite Teile ungesichert geht - und Schnelligkeit ist eben auch ein Sicherheitsfaktor, gerade bei unsicherem Wetter. Viel wichtiger als ein Klettersteigset sind Steigeisen und Pickel für die Begehung der Gletscher. In unserem Fall wäre es zur Not auch ohne gegangen, aber die Verhältnisse waren eben auch sehr gut. Blanke Gletscher oder vereiste Stellen im ungesicherten Gelände können bei fehlender Ausrüstung sehr schnell ein Weiterkommen unmöglich machen.

Noch ein paar Worte zu den Unterkünften: Alle von uns besuchten Hütten (Graffer, Tuckett, Alimonta, Pedrotti/Tosa und Brentei) sind in einem ordentlichen aber nicht nicht luxuriösen Zustand. Das Essen war überall sehr gut und die Leute freundlich. Zu zweit hätten wir sicher auf jeder Hütte noch spontan Schlafplätze bekommen, doch wir waren auch am Ende der Saison unterwegs. Also: Besser reservieren, vor allem im August und bei größeren Gruppen.

Ganz sicher werde auch ich nochmal wiederkommen. Die Besteigung von Cima Brenta und Cima Tosa reizt mich doch sehr. Außerdem würde ich die letzte Etappe gerne mal ohne Nebel gehen, um noch mehr von der beeindruckenden Landschaft zu sehen. Und wer weiß, vielleicht schaffe ich es irgendwann auch mal auf die Guglia :)


Kommentare

  1. Hallo Rebecca :)
    Sehr schöne Tourenbeschreibung hast du da gemacht.
    Ich würde mit einem Freund diese Tour Ende Anfang Juni machen wollen.. nur bin ich noch am Zweifeln ob dies überhaupt möglich ist wegen dem Schnee in diesen Höhen.
    Wie schätzt du die möglichkeit ein um diese Zeit die Tour zu machen ?

    Danke Lars

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  2. Hallo Lars,

    erstmal danke für das Lob :) Im Juni wirst du noch eine komplette Hochtourenausrüstung brauchen (mit Seil!), denn ziemlich sicher sind noch einige Drahtseile unter dem Schnee begraben. Dazu gehört dann natürlich auch, dass du damit umgehen kannst. Ich weiß außerdem nicht, ob die Hütten da überhaupt schon geöffnet haben. Einen interessanten Artikel dazu (leider ohne die eindrucksvollen Bilder aus der Printausgabe) gab es vor einiger Zeit in der Alpin: http://www.alpin.de/touren/reportagen/7768/artikel_klettersteig__brenta_-_sommer_im_schnee.html

    Meld dich doch, wenn du die Tour gemacht hast, würde mich sehr interssieren, welche Bedingungen ihr vorgefunden habt.

    Viele Grüße

    Rebecca

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