Sechs Tage in der Brenta - Teil 2/4: Sentiero Bocchette Alte und Versuch Cima Brenta (3150m)

Auch der zweite Tourentag in der Brenta begrüßte uns mit einem makellosen Himmel, diesmal allerdings gepaart mit zähem Hochnebel, der sich im Laufe des Tages noch in den berüchtigten Brentanebel verwandeln sollte... Dieser war letztlich auch mit dafür verantwortlich, dass wir die Besteigung der Cima Brenta, einem sowohl klettertechnisch als auch orientierungsmäßig nicht unanspruchsvollen Gipfel, abbrachen. Doch zunächst stand uns ein ganzer Teil des Bocchette-Klettersteiges bevor, bzw. das Wiedererreichen desselben über den Rest des Tuckettgletschers.


Da dieser früh am Morgen noch hart gefroren war, waren wir trotz der mäßigen Steilheit froh über die Eisen an unseren Füßen. Eine größere Gruppe "unten ohne" war nicht so entspannt unterwegs - bei einem Sturz wäre es noch unentspannter geworden.


An der Scharte (Bocca del Tuckett, 2647m) angekommen begrüßte uns endlich die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen, herrlich!


Nachdem ich meine anscheinend der Tucketthütte hinterhertrauernde Sonnenbrille mit einem Abwärtssprint über den Gletscher wieder eingefangen hatte, tauschten wir Hochtouren- gegen Klettersteigequipment und stiegen über schön gestuftes Gelände dem Garbariband entgegen.





Der Klettersteig ist nie sonderlich schwer, steilere Stellen werden mit Leitern überwunden. Es sind vielmehr die alpinen Gefahren wie Steinschlag oder vereiste Stellen im ungesicherten Gelände, die den Anspruch ausmachen.



Am Garbariband (Bilder oben) angekommen begann nun die Suche nach dem Abzweig zur Cima Brenta, was uns einiges an Zeit kostete. Laut Beschreibung sollte sich dieser an der Garbari-Gedenktafel befinden. Eine solche begrüßte uns am Beginn des Bandes, was uns stutzig machte, denn eigentlich sollte die Tafel das Ende des Bandes markieren. Um sicher zu gehen suchten wir die Umgebung trotzdem nach einem Abzweig ab, welchen wir aber beim besten Willen nicht finden konnten. Wir beschlossen also, erst einmal weiter zu gehen. Und tatsächlich: Am Ende des Bandes befand sich eine weitere Gedenktafel, baugleich mit der am Anfang...


Hier konnten wir nun auch deutlich erkennen, dass vereinzelte Steinmänner einen Weg nach oben anzeigten. Wir ließen also die Rucksäcke etwas oberhalb des Bocchette-Wegs liegen und machten uns auf den Weg, geleitet durchs steile und ausgesetzte Gelände nur anhand der schwer zu erkennenden Steinmänner.


Nach einer Querung folgte eine große Rinne, die zunächst nach sehr anregender Kletterei aussah.


Bald jedoch kam ich an eine Stelle, die zwar wohl "nur" mit II+ oder III- zu bewerten ist, meine bereits in mir schlummernden Zweifel einer erfolgreichen und sicheren Besteigung des Berges aber endgültig die Oberhand ergreifen ließen. Grund dafür war die fortgeschrittene Zeit (11:30 Uhr) und die doch nicht ganz sichere Wetterlage (aufziehender Nebel, Gewitter am Nachmittag nicht ausgeschlossen) gepaart mit der Gewissheit, dass es auch nach einem guten Abstieg von der Cima Brenta noch ein weites Stück zur nächsten Hütte wäre. Außerdem hatte mir die Besteigung der Cima Sella am Vortag ziemlich deutlich vor Augen geführt, was für einen Unterschied es macht, wenn man nicht von gut sichtbaren Farbkleksern geleitet wird, sondern womöglich noch im dichten Nebel nach sich kaum von der Umgebung abhebenden Steinmännern suchen muss. Für mich war an dieser Stelle also Schluss, und so machten wir uns schweren Herzens wieder an den Abstieg zu unseren Rucksäcken.


Weiter ging es nun also wieder über den gut markierten Bocchette-Weg. Die Querung der im Frühsommer unter Umständen problematischen Firnrinne war unschwierig, da das Seil frei war. Ansonsten wären hier Steigeisen und Pickel unumgänglich.



Über Bänder, ...


... breite Schuttflächen...


... und zuletzt über einen schmaleren Felsriegel...


... stiegen wir, begleitet von Wolkenspielen in dieser unglaublich imposanten Umgebung, ...


... hinab in eine Scharte, ...


... die uns schließlich zu einem weiteren Highlight des Bocchette-Wegs brachte: Der Scala degli Amici, der Leiter der Freunde.


Ich klettere ja eigentlich lieber am Fels, aber so eine 20m hohe Leiter hat schon auch was.



Am daraufhin erreichten Plateau Spallone dei Massodi (3004m) verhinderten leider die immer dichter werdenden Wolken eine umfassende Aussicht, daher gingen wir nur schnell zum mit einem Steinmann markierten höchsten Punkt und setzten dann unseren Weg fort. Zunächst über schuttige Pfade, ...


... dann gut gesichert, aber sehr ausgesetzt durch eine senkrechte Wand...


... ging es auf ein weiteres Plateau, wo wir zu unserer Freude noch einmal im Sonnenschein Pause machen konnten.


Leider hatten wir den Abzweig zur Via Ferrata Oliva Detassis, einer Abstiegsvariante zur Alimontahütte verpasst, daher stiegen wir in Richtung Sfulminigletscher ab. (Im Bild unten ist die Scharte, von der aus es am Folgetag wieder auf den Bocchette-Weg ging, gut zu erkennen.)


Um kurz nach 15 Uhr erreichten wir im dichten Nebel die Alimontahütte (2580m). Quasi direkt im Anschluss fing es heftig an zu regnen - Glück gehabt!


Den Nachmittag und Abend vertrieben wir uns mit einer unglaublich gut tuenden warmen Dusche, leckerem Kuchen, dem Abhören der Wettervorhersage, einem leckeren Abendessen (Knödelsuppe) und der Erkenntnis, dass der frei herumlaufende "Schoßhund" des Hüttenwirts tatsächlich ein echer Wolf ist - das herzzerreißende Heulen beim Verdauungsspaziergang nach dem Abendessen war daher doch ein wenig unheimlich...
  • Zeitbedarf: Laut diverser Beschreibungen für die reine Klettersteigtour 6 bis 7,5 Stunden. Wir haben inklusive Pausen und dem abgebrochenen Versuch an der Cima Brenta 7,5 Stunden gebraucht, waren am Klettersteig selbst aber ziemlich schnell unterwegs, da wir wenig gesichert haben.
  • Höhenmeter: Ganz grob 900 bergauf, 550 bergab (schwer zu sagen aufgrund des vielen Auf und Abs)
  • Schwierigkeit: Die "offizielle" Klettersteigbewertung von C/D bezieht sich auf den Abstieg über den Steig Oliva Detassis. In der hier beschriebenen Route geht die Schwierigkeit nicht über C (nur kurze Stellen) hinaus. 


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