Hochtourenfeeling am Hochreichkopf (3010m)


Und wieder stand ich vor der Entscheidung: Nur Ski, nur Schneeschuhe oder doch beides mitnehmen? Letztendlich lief es schweren Herzens auf "nur Schneeschuhe" hinaus, da wir den Hochreichkopf (3010m) versuchen wollten und mir in diesem Fall das Erreichen des Gipfels wichtiger war als die Abfahrt mit Skiern. Und für die Kraxelstellen am Grat rechnete ich mir mit Bergstiefeln größere Chancen aus als mit den steifen Skischuhen (siehe auch der Bericht von der Scheinbergspitze).

Anreise und Hüttenanstieg
Am Freitag Mittag ging es dann erstmal von München nach Niederthai (1538m) im Ötztal, von wo aus wir zur Schweinfurter Hütte (2034m) aufstiegen. Der gesamte Weg verläuft auf einer präparierten Rodelbahn, sodass ein Aufstieg auch im Dunklen möglich gewesen wäre. Wir waren jedoch noch recht früh dran und bekamen auf der Hütte daher auch noch
ein leckeres Abendessen. An dieser Stelle kann ich schon einmal sagen: Die Schweinfurter Hütte ist absolut empfehlenswert! Nettes Personal, großzügige Lager und gutes Essen, dazu eine große Tourenauswahl im Sommer wie im Winter. Zur Qualität des Frühstücks kann ich dagegen nichts sagen, da wir uns dafür entschieden, bei Sonnenaufgang loszugehen und das Buffet erst um 6:30 Uhr eröffnet werden sollte.

Einsamer Aufstieg zum Grat
Nachdem der Wecker um 5:30 Uhr geklingelt hatte, waren wir um 6:30 Uhr endlich abmarschbereit. Entgegen unserer Befürchtungen war es nicht allzu kalt und auch der Weg bis kurz hinter die Finstertaler Sennhütte war gut zu finden. Dann jedoch wurde klar:
Alle vorhandenen Spuren führten nach links zur Hohen Wasserfalle, unser Weg war nicht mehr gespurt. Ab hier hieß es also, nicht nur den Weg selbst zu finden, sondern sich auch durch teilweise bösen Bruchharsch und tiefen Pulverschnee zu kämpfen, was glücklicherweise mein Begleiter Stefan übernahm (danke nochmal!). Durch wunderschöne, unberührte Schneelandschaften ging es immer weiter, wobei
wir über die inzwischen über den Bergen stehende Sonne und ihre wärmenden Strahlen froh waren, da immer wieder starker Wind seinen Weg in das weitläufige Kar fand. Die Schneefahnen an den umliegenden Gipfeln und Graten versprachen ebenfalls kein gemütliches Wetter hoch oben. Das Gelände steilte schließlich immer weiter auf und wir entschieden uns für
eine der Rinnen, die auf den Nordostgrat des Hochreichkopfs führen. Zunächst wollten wir diese ohne Schneeschuhe begehen, merkten allerdings bald, dass der Schnee dafür nicht fest genug war. Also wieder fünf Meter absteigen und Schneeschuhe holen... In (grob geschätzt) etwa 45° steilem Gelände packte ich auch meinen Pickel aus, da mir dieser als Schneeanker mehr Sicherheit gab. Endlich erreichten wir dann gegen 11 Uhr den Gipfelgrat, wo erwartungsgemäß eine ziemlich steife Brise bließ - glücklicherweise nur in Böen und mit zwischenzeitlich absolut windstillen Phasen.

Geht es oder geht es nicht?
Beim Anblick der ersten Meter waren wir uns zunächst nicht sicher, ob das Gelände tatsächlich begehbar sein
würde. Wir konnten erahnen, dass der Grat überwechtet war, gleichzeitig aber nicht abschätzen, wie weit der bodenlose Schnee nach rechts überhing. Wir orientierten uns also an den sichtbaren Felsen und stapften nach Deponieren der Schneeschuhe vorsichtig
Richtung Gipfel. Eine erste Felskletterstelle warf nach einigen Metern dann erneut die Frage auf, ob wir den höchsten Punkt würden erreichen können. Zwar war diese nicht schwierig und auch
nur circa einen halben Meter hoch, doch der Fels war durch den aufliegenden Schnee nass und leicht rutschig. Nachdem ich aber eine Stelle gefunden hatte, an der ich mich festhalten konnte, überwand ich das Hindernis und wir gelangten wieder in leichteres Gelände. Hier legten wir die Steigeisen an, da uns noch
einige Felspassagen bevorstanden und diese mit den Zacken unter der Sohle sicherer zu klettern sind. Die letzten Meter zum Kreuz waren dann noch einmal herausfordernd: Schneebedeckte Felskletterei (I+) - ziemlich ausgesetzt, aber mit guten Tritten und Griffen, sodass ich an keiner Stelle das Gefühl hatte, die Kontrolle über mein Tun zu verlieren. Überglücklich standen wir somit um kurz vor zwölf am Gipfel des Hochreichkopfs, meinem ersten Winterdreitausender!

Der Abstieg
Lange hielten wir es oben allerdings nicht aus, denn die heftigen Windböen hatten noch immer nicht nachgelassen. Hochkonzentriert
machten wir uns also an den Abstieg, der (wieder einmal) besser klappte als erwartet. Die oben beschriebene erste Schlüsselstelle war mit Steigeisen ebenfalls sehr viel angenehmer zu klettern als ohne. Beim Depot sammelten wir die Schneeschuhe ein, stiegen die ersten steilen Meter allerdings noch mit den Eisen ab, wobei wir in den vorhandenen Tritten teilweise bis zur Hüfte
einbrachen; ganz schön anstrengend, den jeweils unbelasteten Fuß wieder herauszuziehen! Sobald die Hangneigung etwas nachließ, zogen wir daher wieder Schneeschuhe an, was das Gehen sehr viel leichter machte. Inzwischen waren wir auch nicht mehr alleine, da eine große Gruppe Skitourengeher unsere Spuren genutzt und sich ebenfalls auf den Weg zum Hochreichkopf gemacht hatte. Auch
wenn diese viel später auf dem Gipfel waren als wir, waren sie im Endeffekt doch eher wieder unten... In einigen Teilen des Abstiegs sehnte auch ich mir die Skier herbei, da wir auf dem etwas veränderten Rückweg viele Passagen mit tollem Pulverschnee antrafen. Egal, ich war am Gipfel, es war toll und ich bin der Überzeugung, bei der Tour(enauswahl) überall die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben! Die Skier können eben (noch) nicht immer dabei sein, dafür muss ich noch etwas mehr üben. Außerdem bin ich mir sicher, dass ich den Grat in den Skischuhen nicht geklettert wäre, also auch von daher: Alles richtig gemacht!

  • Lawinenlage: Mäßig (2)
  • Höhenmeter: Von der Hütte etwa 1000, Abstieg ins Tal 1500
  • Zeitbedarf: Für den Aufstieg gut 5 Stunden, für den Abstieg ins Tal nochmal circa 6 Stunden (wenn ich die Ankunftszeit am Auto noch richtig im Kopf habe)
  • Stefans Bericht gibt es hier!

Kommentare

  1. Die Tour zb. Traumhafte!! Bergblicke!! Dank dir, will i nu da au hin ;)
    liabe grüße
    conny

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  2. Ja, das Wetter hat halt auch perfekt mitgespielt :) Die Tour war vom Anspruch aber wirklich nicht "ganz ohne"!

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